Für mehr Fläche vor dem Wind: Der Weg zum passenden Ausbaumer!

calendar icon 12.07.2021



Um auf Kursen vor dem Wind möglichst viel Segelfläche effektiv nach Luv auszustellen, werden Segel ausgebaumt. Für die korrekte Dimensionierung des Ausbaumers stellt sich dabei die grundsätzliche Frage, was für ein Segel nach Luv gebracht werden soll: Lediglich die Fock/Genua oder auch ein Spinnaker?

Ein Ausbaumer-Profil ist bei Verwendung Kompressions- bzw. Stauchlasten ausgesetzt. Ist das Spannungsniveau im Profil höher ist als die Belastbarkeit des Materials, bricht das Material.

Die Last, die ein Profil aufnehmen kann, ohne Schaden zu nehmen, ist abhängig von:
1. der Querschnittsgeometrie
2. der Materialsteifigkeit
3. der Profillänge

Spinnakerbaum oder Whiskerpole?

Während der Begriff „Spinnakerbaum“ allgemein gebräuchlich ist, wird ein Baum, der ausschließlich für das Ausbaumen der Fock/Genua verwendet wird, auch als „Whiskerpole“ bezeichnet. Abhängig davon, ob der Ausbaumer als Spinnakerbaum oder als Whiskerpole verwendet werden soll, muss der Ausbaumer entsprechend des Einsatzzweckes dimensioniert werden.

Da die auftretenden Kräfte beim Ausbaumen des Spinnakers deutlich höher als beim Ausbaumen der Fock/Genua sind, sollte ein Ausbaumer, der für beide Zwecke eingesetzt werden soll, auf jeden Fall als Spinnakerbaum dimensioniert werden.

Welche Daten werden zur korrekten Dimensionierung des Ausbaumers benötigt?

Je nachdem, welches Segel ausgebaumt werden soll, muss abhängig von den relevanten Schiffsdaten, der Ausbaumer entsprechend dimensioniert werden. Dafür werden folgende Angaben benötigt:

  1. Schiffsgewicht

Das Gewicht des Bootes kann entweder in Tonnen Verdrängung oder, etwas präziser, als Aufrichtendes Moment in kNm bei 30° Krängung (engl: Righting Moment – RM30°) angegeben werden. Das aufrichtende Moment ist abhängig von der Verdrängung der Yacht, Kielgewicht, Tiefgang und Breite.

  1. Länge des Ausbaumers

Sofern der Spinnakerbaum keine Überlänge haben soll gilt als Faustregel: SPL = J

SPL = Länge des Spinnakerbaums (Spinnaker Pole Length)
J= Länge d. Abstands von Vorderkante Mast bis Vorstagpütting (horizontal auf Decksniveau gemessener Abstand von der Vorderkante Mast – ohne Spinnaker-Schiene – bis zur Krafteinlaufslinie des Vorstagpüttings).

Präziser als das Maß SPL das Maß POA. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte daher immer das POA-Maß angegeben werden.

Die benötigte Länge für einen Whiskerpole ist abhängig von der Länge des Unterlieks des jeweiligen Segels.

In der Regel gibt es vom jeweiligen Hersteller Dimensionierungstabellen, in denen man mit diesen beiden Basis-Faktoren den passenden Spinnakerbaum ermitteln kann. Üblicherweise ist in diesen Dimensionierungstabellen vom Hersteller bereits eine Sicherheitsspanne einkalkuliert, um z.B. eine gewisse Biegung über das Vorstag zu ermöglichen.

Hier ein Ausschnitt aus einer Seldén-Dimensionierungstabelle für Aluminium Spinnakerbäume als anschauliches Beispiel:

RM30°
kNm
Verdr.
in t
Aluminiumprofil Durchmesser in mm:
38/38 48/48 60/60 72/72 84/84 96/96
6 1,2 2.250 max. SPL in mm
7 1,4 2.050
8 1,6 1.910 3.000
10 2,0 1.820 2.700
12 2,4 1.720 2.500 3.600
14 2,8 1.600 2.400 3.500
16 3,2 2.350 3.400
18 3,6 2.300 3.300
20 4,0 2.250 3.200 4.650
25 5,0 3.000 4.250
30 5,7 2.850 3.905 5010
35 6,3 2.730 3.720 4710
40 7,0 3.520 4460 5480
45 7,7 3.360 4260 5230
etc etc etc etc etc etc etc etc


Beispiel: Für ein Boot mit einem RM30° von z.B. 10kNm (oder 2,0t Verdrängung) und einem J-Maß von 2.400mm wird ein Spinnakerbaum mit einem 48mm Aluminiumprofil benötigt.

Für dasselbe Boot wird laut der Seldén Dimensionierungstabelle ein 47er Carbonprofil benötigt.
Ob Alu- oder Carbonprofil, der erforderliche Profildurchmesser ist also sehr ähnlich.

Carbon oder Aluminium?

Ausbaumer wie z.B. Spinnakerbäume und Whiskerpoles werden in Carbon oder Aluminium angeboten.

Ein Carbon Spinnakerbaum ist steifer und bis zu 40% leichter als ein Aluminium Spinnakerbaum, sollte aber vor Stößen und Kratzern z.B. mit einem Schutzüberzug geschützt werden.

Ein Spinnakerbaum aus Aluminium wiegt zwar etwas mehr als einer aus Carbon, ist dafür aber etwas robuster und kostengünstiger.

Wer Gewicht einsparen möchte, sollte sich für einen Carbon-Spinnakerbaum entscheiden:
Carbon-Bäume sind bis zu 40 % leichter als entsprechende Bäume aus Aluminium. Das erlaubt eine viel einfachere Handhabung beim Setzen, Schiften und Bergen. Außerdem liegt erheblich weniger Gewicht auf dem Toppnanten.

Endbeschläge

Je nach Baumaufnahme am Mast und der gewünschten Bedienbarkeit des Ausbaumers müssen die passenden Endbeschläge ausgesucht werden.

Grundsätzlich werden drei Arten von Endbeschlägen unterschieden:

einfachen Karabiner- Endbeschlag

 

Pistolen-Endbeschlag

 

Trichter-Endbeschlag

Auch die Endbeschläge sind entsprechend des ermittelten Profils so dimensioniert, dass sie den auftretenden Kräften standhalten.

Außerdem sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass Endbeschläge und Aufnahmen vom selben Hersteller sind, da die Systeme und Maße unterschiedlicher Hersteller nicht aufeinander abgestimmt sind und es dadurch zu Verformungen und/oder Bruch kommen kann. Außerdem verfällt bei Verwendung von Endbeschlägen und Aufnahmen unterschiedlicher Hersteller im Schadenfall eine Gewährleistung.