Historisches

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Häufig fragt man sich, wie oft diese Frage noch gestellt wird: „Sagen Sie, ist Segelmacher ein richtiger Beruf, ist das ein Handwerk, welches man richtig erlernen muss?“ Dazu kann man nur sagen: es gibt kaum einen älteren Handwerksberuf.
Als ältester Nachweis für den Berufsstand gelten Felszeichnungen in der nubischen Wüste, die eindeutig auf eine Segelherstellung schließen lassen. Die Zeichnungen werden auf ein Alter von ca. 5000 v. Chr. geschätzt. Betrachtet man heute die letzten 80 Jahre, so hat die enorme technische Entwicklung kaum ihres Gleichen in den vorangegangenen Epochen.

Wenn man überlegt, dass fast 7000 Jahre alle Segel von Hand zusammengenäht wurden, so hat der technische Fortschritt in unserem Berufszweig sehr, sehr lange auf sich warten lassen. Immerhin wurden ca 1850 die ersten brauchbaren Nähmaschinen erfunden und gebaut, die dann um das Jahr 1900 Einzug bei den Segelmachern hielten. Ein historischer Kupferstich aus dem Jahr 1649 belegt die Handarbeit.

Die Segelflächen der Frachtsegler damaliger Zeiten waren extrem groß, was dann natürlich bedeutete, dass mehrere Segelmacher an einem Segel arbeiteten und in ihrer Zunft sehr begehrt waren. Nur zur Klarstellung sei hier noch einmal erwähnt, dass natürlich nur Naturfasern zum Einsatz kamen. Als die Industrialisierung Einzug hielt und die Schiffe mehr und mehr durch Motoren angetrieben wurden, schrumpfte auch die große Zahl von Segelmachern weltweit. Der Berufsstand orientierte sich neu. So gab es schnell neue Betätigungsfelder wie Abdeckplanen für Frachtgüter, Seiler- und Knüpferarbeiten um nur einiges zu nennen.

In den Jahren nach 1920 hielt das Sport- und Freizeitsegeln immer mehr Einzug in die Gesellschaft. Zunächst als elitär und nur etwas für reiche Leute abgetan, hat sich der Segelsport bis heute in allen Kreisen der Gesellschaft etabliert.
So war es naheliegend, dass auch die Entwicklung neuer, formstabiler Tuche nicht mehr vor dem Segeltuch Halt machte. In den Kriegswirren des 2. Weltkriegs um das Jahr 1940 entwickelte der englische Chemie-Multi – die Firma ICI – die ersten Polyesterfasern und vergab Fertigungs- und Patentrechte an die Firma Dupont. Die ersten Segel aus Polyester-Geweben mit der Bezeichnung „Drysail“ wurden in Europa gefertigt. Die Segelmacher mussten natürlich gewaltig hinzulernen, denn die Segel wurden formstabiler, auch unempfindlicher in Bezug auf Feuchtigkeit und mussten nicht mehr unter bestimmten Bedingungen eingesegelt werden.

Ungefähr 50 Jahre lang plätscherte die Segel- und Tuchentwicklung so vor sich hin. Auch aus den Werkstätten der Segelmacher gab es nichts Revolutionäres zu berichten. Der Bootsbau hingegen verlegte sich mehr und mehr auf GFK Verarbeitung, das führte schnell zu einem völlig anderen Preisgefüge für die Freizeit- oder Regattaboote. Der Segelsport „explodierte“ förmlich Mitte der 1960er bis Ende der 1970er Jahre.

Für die Segelmacher ergab sich erst wieder ein „Umdenken“ mit der kometenhaften Verbreitung des Surfsports Mitte der 1970er Jahre. Hier machte die Entwicklung neuer Segelmaterialien einen riesigen Technologie-Schritt. Beschichtete Polyester-Tuche mit der Bezeichnung Mylar hielten Einzug bei den Segelmachern. Bis heute hat es in dieser Richtung ständig Weiterentwicklungen gegeben. Neue Gewebestrukturen mit hochfesten Fasern von Pentex bis zu Kohlefasern, Sandwich-Materialien und eine mannigfaltige „Palette“ an High-Tech-Materialien verlangen den Segelmachern in der heutigen Zeit sehr viel innovatives Denken und Handeln ab.

Ungefähr zur gleichen Zeit Mitte der 1970er Jahre hielt auch der Computer Einzug in die Segelmacher Werkstätten. Heute werden die unterschiedlichsten Schnittentwicklungen und Segelkonstruktionen mit dem Rechner vorgenommen.
Somit hat über Jahrhunderte der Beruf des Segelmachers viele „Evolutions-Stufen“ durchlaufen, dennoch hat er sich auch bei uns – in der Allianz Deutscher Segelmacher – das Handwerk erhalten.